Wettbewerbskompass und Vergabereform: Innovation ja – aber bitte nicht noch komplizierter!
Europa investiert – doch wer profitiert? Jährlich vergeben über 250.000 öffentliche Stellen in der EU Aufträge im Wert von rund zwei Billionen Euro. Gerade in den Bereichen Energie, Verkehr oder Abfallwirtschaft sind staatliche Institutionen oft die Hauptauftraggeber. Eine riesige Summe, die Wachstum und Innovation vorantreiben könnte – insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Doch in der Praxis sieht es anders aus:
Komplizierte Verfahren, unklare Vorschriften und ein enormer Verwaltungsaufwand schrecken viele Unternehmen ab. Auch Vertreter auf kommunaler Ebene berichten mir immer wieder, dass sie mit den bürokratischen Anforderungen kämpfen und der Nutzen oft fraglich bleibt.
Ein weiteres Problem: Immer mehr branchenspezifische Vorschriften machen das Vergaberecht zunehmend unübersichtlich. Der Europäische Rechnungshof hat in einem Sonderbericht die größten Schwachstellen der letzten zehn Jahre offengelegt: zu viel Bürokratie, kaum Digitalisierung, wenig fairer Wettbewerb. Derzeit kommen nur zwei bis drei Prozent aller EU-weiten Ausschreibungen von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten. Das zeigt, wie dringend wir bessere und transparentere Vergabeverfahren brauchen.
Ende Januar wurde im Europäischen Parlament der neue Wettbewerbskompass vorgestellt, der einen klaren Handlungsbedarf bei der öffentlichen Auftragsvergabe aufzeigt. Der Europäische Rat hat bereits Reformempfehlungen verabschiedet, und die Europäische Kommission hat das Thema in ihr Arbeitsprogramm aufgenommen. Eine umfassende Reform des Vergaberechts ist nun für 2026 geplant. Noch bis zum 7. März können sich Unternehmen, Kommunen sowie Bürgerinnen und Bürger an der öffentlichen Konsultation dazu beteiligen.
Was soll sich konkret ändern?
✔ Weniger Bürokratie, um KMU einen besseren Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen zu ermöglichen.
✔ Klare, einheitliche Regeln in allen Mitgliedstaaten für mehr Fairness und Transparenz.
✔ Digitalisierung und Künstliche Intelligenz zur Beschleunigung der Verfahren.
✔ Gezielte Investitionen in Schlüsseltechnologien zur Stärkung Europas wirtschaftlicher Unabhängigkeit.
Für mich ist klar: Diese Reform ist überfällig, aber sie darf nicht zu neuen Hürden führen. Mehr Bürokratie, zusätzliche Umweltauflagen oder neue Sozialkriterien dürfen den Zugang nicht weiter erschweren – vor allem nicht für KMU oder interkommunale Kooperationen. Es braucht klare und verständliche Regeln für Verwaltungen, weniger bürokratischen Ballast und mehr Wettbewerb. Öffentliche Auftragsvergabe kann Innovation fördern – aber sie ist kein Allheilmittel für alle politischen Ziele. Wir brauchen ein faires, einfaches und zugängliches System, das Unternehmen nicht ausbremst, sondern ihnen echte Chancen gibt.