Ungarische Ratspräsidentschaft: Verpasste Chancen und gefährliche Alleingänge

Seit dem 1. Juli hält Viktor Orbán den Vorsitz im Rat der Europäischen Union– eine Rolle, die auf diplomatischer Zurückhaltung und der Förderung des Konsenses basieren sollte. Doch anstatt die Gemeinschaft der EU zu stärken, verfolgt er eine Außenpolitik, die Europa schadet und seine egoistischen Ziele in den Vordergrund stellt.

In seiner Rede am Mittwoch hatte Orbán im Plenum die Gelegenheit, das Programm der ungarischen Ratspräsidentschaft vorzuziehen. Zwar zählte er hier vortrefflich, wenn auch inhaltsleer, im Wesentlichen die Eckpunkte des Draghi-Berichts auf, konnte aber bis dato noch mit keinem einzigen nennenswerten Ergebnis in Sachen Legislativarbeit aufwarten, wie unser Fraktionsvorsitzender Manfred Weber ihm überzeugend vor Augen führte. Schon Orbáns Pressekonferenz am Vortag hatte sich als ein Feuerwerk verbaler Nebelraketen zur Selbstinszenierung entpuppt. Fazit: Kläglich, aber mit Karacho. Besonders bestürzend: In seinem unsäglichen Redebeitrag erwähnte Orbán die Ukraine nicht ein einziges Mal. Seine wiederholten Alleingänge in der Ukraine-Frage sind indes unverantwortlich. Es kann nicht sein, dass die Ukraine, die auf europäische Unterstützung angewiesen ist, immer wieder zum Spielball seiner Machtspielchen wird. Diese Taktik dient einzig dazu, sich als „Friedensstifter“ zu inszenieren – ein Bild, das eng mit den Interessen des Kremls verknüpft ist.

Zusätzlich hat Orbán durch seine eigenmächtigen Entscheidungen in Bezug auf China und seine Sympathien für Donald Trump dem Ansehen der EU erheblichen Schaden zugefügt. Was die Europäische Union eigentlich als Einheit und Stärke nach außen präsentieren sollte, wird durch seine Politik untergraben. Orbán nutzt die Ratspräsidentschaft schamlos als Bühne für seine persönliche Agenda, während die EU-Partner zusehen müssen.

Es ist gefährlich, wenn ein Ratsvorsitzender zu einem potenziellen Sicherheitsrisiko für die EU und die NATO wird. Orbán scheint den Weg der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern längst verlassen zu haben – und es ist mehr als fraglich, ob er je auf diesen Pfad zurückkehren wird. Die Europäische Union muss geschlossen gegen diese Art der Selbstinszenierung stehen und sicherstellen, dass das Amt des Ratsvorsitzes nicht weiter für politische Eigeninteressen missbraucht wird.

Hintergrund:

Seit dem 1. Juli sitzt Viktor Orban turnusmäßig dem Kreis der 27 Mitgliedstaaten vor. Aufgabe des sechsmonatigen Ratsvorsitzes ist es, die Sitzungen der Mitgliedstaaten zu organisieren und zu leiten sowie Kompromissvorschläge zu erarbeiten. Am 1. Januar 2025 wird Polen das Amt übernehmen.

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