Reform des Vergaberechts - raus aus der Sackgasse
„Liebe Frau Verheyen, wir wollen eine neue Schule bauen, aber bis wir mit den Ausschreibungen durch sind, haben die Kinder schon fast Abitur.“ Was hier so humorvoll-überspitzt anklingt, begegnet mir im Tenor in so manchem Gespräch, das ich mit kommunalen Vertretern in meinem Wahlkreis führe.
Die Klage ist nicht neu, aber sie ist berechtigt: Das Vergaberecht ist für Kommunen inzwischen eher ein Hindernis als eine Hilfe.
Im Europäischen Parlament haben wir deshalb jetzt Reformvorschläge verabschiedet, die das Vergaberecht einfacher, schneller und praxistauglicher machen sollen. Die letzte große Überarbeitung liegt mehr als zehn Jahre zurück – höchste Zeit also, den Regelkatalog grundlegend zu modernisieren.
Ein wichtiger Punkt ist die Anpassung der Schwellenwerte an die Realität. Wenn Bau- und Projektkosten inflationsbedingt deutlich gestiegen sind, dürfen Kommunen nicht an überholten Grenzen scheitern. Mehr Flexibilität würde ihnen die Möglichkeit geben, Projekte schneller und passgenauer umzusetzen. Weniger Komplexität bedeutet auch, dass kleinere und mittlere Unternehmen aus der Region wieder bessere Chancen haben, sich an Ausschreibungen zu beteiligen. Denn wer vor Ort investieren und Arbeitsplätze sichern will, sollte nicht an seitenlangen Verfahren scheitern.
Dabei geht es nicht darum, Umwelt- und Sozialkriterien auszublenden. Diese sind wichtig – aber sie müssen so angewendet werden können, dass die Vergabestellen im Einzelfall entscheiden, was sinnvoll ist. Starre Vorgaben helfen niemandem, flexible Lösungen hingegen schon.
Öffentliche Auftragsvergabe macht rund 14 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung aus – mehr als zwei Billionen Euro pro Jahr. Dieses gewaltige Potenzial können wir uns nicht mit überbordender Bürokratie blockieren. In Zeiten globaler Unsicherheit müssen wir vielmehr auch überlegen, wie wir europäische Lieferketten stabiler machen und unsere Wirtschaft resilienter aufstellen können. Das ist kein Protektionismus, sondern pragmatische Vernunft.
Kurz gesagt: Vergabe muss wieder das werden, was sie im Kern sein soll – ein Werkzeug, mit dem Kommunen ihre Aufgaben zuverlässig und im Sinne der Menschen vor Ort erfüllen können. Unser Initiativbericht zeigt, was wir vom reformierten Vergaberecht erwarten: mehr Praxisnähe für Kommunen, stärkere Einbindung regionaler Unternehmen und schnellere Umsetzung von Projekten. Jetzt liegt es an der Kommission, daraus einen konkreten Vorschlag zu entwickeln. Wir werden die nächsten Schritte aufmerksam verfolgen.