Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakt
Europa darf bei der Reform der Schuldenregeln nicht aus den Augen verlieren, worum es wirklich geht - die Finanzstabilität. Dieses leitende Prinzip wird durch die Abschwächung der Schuldenregeln, wie von der EU-Kommission zuletzt vorgeschlagen, gefährdet und damit das Fundament unserer gemeinsamen Währung untergraben.
„Europa darf bei der Reform der Schuldenregeln nicht aus den Augen verlieren, worum es wirklich geht – die Finanzstabilität. Dieses leitende Prinzip wird durch die Abschwächung der Schuldenregeln, wie von der EU-Kommission zuletzt vorgeschlagen, gefährdet und damit das Fundament unserer gemeinsamen Währung untergraben.
Statt Finanzstabilität wurde Flexibilität das Leitmotiv der Reform. Die Kommission vereinbarte mit den Mitgliedstaaten einen individuellen Schuldenabbaupfad, der auf vier Jahre ausgelegt ist und zusätzlich Reform- und Investitionsziele umfasst. Dabei hatte der bisherige Stabilitäts- und Wachstumspakt nie ein Flexibilitätsproblem, es haperte bei der Anwendung. Deshalb ist es für uns von fundamentaler Bedeutung, dass die Reform eine bessere Durchsetzung forciert. Es ist zudem zweifelhaft, ob die Lehren aus dem Covid-Aufbaufonds auf die EU-Schuldenregeln übertragbar sind. Wenn es um die Schuldenregeln geht, braucht es keine länderspezifischen Hinterzimmer Deals, sondern objektive und harte Kriterien.
Als Schwachpunkt des Stabilitäts- und Wachstumspakts lässt sich das Sanktionsregime identifizieren. Bereits implementierte Sanktionsinstrumente kamen nicht bemerkenswert zum Einsatz. Stattdessen wurden die Regeln soweit ausgedehnt, dass keine Sanktionen von Nöten waren. In diesem Punkt hat die Kommission in den letzten Jahren auf ganzer Linie versagt und zuletzt eine echte Reform-Chance verpasst. Eine gute Lösung wäre eine unabhängige Stelle mit der Aufsicht über die Schuldenregeln gewesen.
Die Position der Bundesregierung in den anstehenden Verhandlungen zwischen Rat und Parlament kann lediglich als schwach bezeichnet werden. Wer zu Hause mit Schattenhaushalten operiert und in Brüssel das Sparen predigt, hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Somit hat sich die deutsche Regierung selbst in eine schwierige Ausgangslage befördert.“
Hintergrund:
Die Corona-Krise und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Finanz- und Haushaltsregeln der EU haben dafür gesorgt, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt vorübergehend ausgesetzt wurde. In Anbetracht hoher Schuldenstände und neuer Investitionsherausforderungen hat die EU-Kommission am 26. April 2023 die erwarteten Pläne für eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes vorgelegt. Dieser Pakt gibt den Rahmen vor, in dem sich Europas Regierungen bei ihren Staatsausgaben bewegen dürfen. Ihn einzuhalten ist Voraussetzung für einen Beitritt zur Euro-Zone. Anstatt starrer Grenzwerte sollen die EU-Staaten nun mehr Spielraum erhalten, um ihre Staatsschulden in den Griff zu bekommen und durch umsichtige Reformen sowie Investitionen nachhaltiges Wachstum zu fördern. Gleichzeitig will die Kommission die Vorgaben strenger durchsetzen, was bislang selten stattfand.