Europa ist jetzt - und jung!

Es gibt Momente im Jahr, die sich anfühlen wie ein Ankommen – in der Geschichte, in der Gegenwart, in einer gemeinsamen europäischen Zukunft. Für mich ist die Karlspreisverleihung genau so ein Moment. Wenn die Glocken des Aachener Doms erklingen und der festliche Klang über die Dächer meiner Heimatstadt zieht, spüre ich jedes Mal aufs Neue: Europa lebt – nicht nur in Verträgen, Reden oder Institutionen, sondern in den Menschen, die es mit Sinn füllen. Und ganz besonders in der jungen Generation.

In diesem Jahr hatte ich als Erste Vizepräsidentin die besondere Ehre, die Eröffnungsrede zur Verleihung des Jugendkarlspreises zu halten – und die unglaubliche Freude, als Laudatorin das Siegerprojekt auszuzeichnen.

Jedes Jahr bringt der Jugendkarlspreis neue Ideen und neue Perspektiven nach Aachen – und macht sichtbar, was Europa im Innersten zusammenhält: der Wille, sich einzubringen. Wer glaubt, Europa sei ein Relikt der Vergangenheit, hat noch nie die Augen der Gewinnerinnen und Gewinner gesehen, wenn sie von ihren Projekten erzählen.

In diesem Jahr war es das Projekt Forum Europaeum aus Ungarn, das den ersten Preis erhalten hat – eine paneuropäische Medienplattform, die junge Menschen digital vernetzt und ihnen eine Stimme gibt. TikTok-Videos, Podcasts, Interviews – kluge Köpfe, kreative Formate und eine klare Botschaft: Europa gehört uns allen, und wir gestalten es gemeinsam.

Was mich an diesen Projekten immer wieder beeindruckt, ist ihr Mut zur Verantwortung. Die jungen Menschen, die sich hier engagieren, reden nicht nur über Probleme – sie handeln. Ich denke an die Initiative Díky, že můžem volit aus Tschechien, die mit innovativer Öffentlichkeitsarbeit junge Menschen zur Europawahl mobilisiert hat. An die Feminist Law Clinic aus Deutschland, die Menschen unterstützt, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind. 635 Bewerbungen, 27 nationale Gewinnerprojekte – jedes für sich ein herausragender Beleg dafür, dass Europa dort entsteht, wie lebendig europäische Demokratie ist.

Europa braucht genau diese Kraft. Nicht nur, um in der Welt wettbewerbsfähig zu bleiben – sondern um unseren Weg in die Zukunft so zu gestalten, dass er gerecht, nachhaltig und demokratisch ist. Das ist auch die Botschaft des diesjährigen Berichts der Charlemagne Prize Academy: „Efficiency by Design“. Effizienz bedeutet eben nicht, schneller zu sein um jeden Preis. Sondern klüger, gemeinsamer, vorausschauender.

Design – das klingt im ersten Moment nach Ästhetik. Aber in Europa bedeutet Design mehr: den Willen, Form und Funktion so zu verbinden, dass daraus etwas entsteht, das Probleme löst, Brücken baut, Leben verbessert. Vom gotischen Dom bis zur KI-gestützten Sprachassistenz – gutes Design war in Europa nie nur schön, sondern immer auch sinnvoll.

Deshalb braucht auch Politik gutes Design – nicht als Stilfrage, sondern als Gestaltungsanspruch. Wie organisieren wir Entscheidungsprozesse, die schnell sind – aber nicht überstürzt? Wie sichern wir wirtschaftliche Stärke, ohne unsere Werte preiszugeben? Diese Fragen lassen sich nicht allein technokratisch beantworten. Sie brauchen Herz und Verstand. Sie brauchen Menschen, die Europa als Gemeinschaft begreifen – so wie die jungen Karlspreisträgerinnen und -träger es leben.

Was mich in diesem Jahr besonders bewegt hat, war nicht ein einzelner Augenblick, sondern das Gefühl, dass diese jungen Stimmen längst Verantwortung übernehmen – nicht erst in der Zukunft, sondern jetzt. Sie zeigen, was möglich ist, wenn man Europa nicht bloß verwaltet, sondern mitgestaltet.

Und wenn dann zum Abschluss die Glocken des Doms erklingen, ist es mehr als ein festlicher Klang. Es ist ein Versprechen: Solange solche jungen Menschen für Europa eintreten, wird dieses Projekt weiterleben – mit Kraft, mit Überzeugung, mit Zukunft.

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